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Ännes letzte Reise  

Spurensicherung und Gedenkzeichen in Bedburg-Hau

 

2012 Theater mini-art

© Photos Kinder- u. Jugendtheater mini-art


2006 Installation der Erinnerung

von Ulrike Oeter
 

© Foto: De Gelderlander

Aennes letzte Reise„Aennes laatste reis liep via het gekkenhuis" so lautete die Überschrift eines langen Artikels in der niederländischen Zeitung de Gelderlander. Auch in verschiedenen anderen Zeitungen fand die Ausstellung des Sommerlabors ArToll 2006 Beachtung. Das Kunstlabor findet seit 1994 einmal jährlich auf dem Gelände den Rheinischen Kliniken Bedburg-Hau statt.

2006 setzte sich die Künstlerin Ulrike Oeter, die durch meine Website auf das Leben von Anna (in der Familie auch Änne genannt) aufmerksam geworden war, mit ihrer Installation auf beeindruckende Art und Weise mit Ännes Schicksal auseinander.

Raum der Stille (S. Falkenstein, 2006)

Im „Raum der Stille", einem ehemaligen Schlafsaal, der von alten Bettteilen durchspannt ist, erinnert eine kolorierte Photo-Projektion, durchleuchtete Insekten und zarte Papierobjekte an „Ännes letzte Reise".

Unbeschwert und fröhlich lacht die 17-jährige in die Kamera. Das nachträglich kolorierte Sommerkleid und das Pendant dazu aus hauchfeinem Papier fangen Sonne und Wärme ein, die Änne wohl an jenem Tag in der Geborgenheit des elterlichen Gartens empfunden hat. Die filigranen Papierobjekte (Kleid, Schuhe und Tässchen) sind von durchscheinender Leichtigkeit, sie wirken dabei fest und zerbrechlich gleichermaßen. Sie hätten dem jungen Mädchen sicher gefallen.

Wie konnte Änne zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass sie bereits als „unwertes Leben" gezeichnet war. In Berlin hatten Nazi-Verbrecher (dazu gehörten Ärzte, Hochschullehrer und Anstaltsleiter) im Rahmen der „Euthanasie" Aktion mit einem roten Plus ihren Tod beschlossen. Ein blaues Minus hätte Leben bedeutet.

Das rote Kreuz (Plus), die überdimensionalen, beleuchteten Insektenkadaver und die Gitterteile der alten Betten stehen im krassen Gegensatz zu der Heiterkeit, die über der sommerlichen Szene liegt. Sie erschließen jenseits der Ästhetik des Gesamtkunstwerks erst auf den zweiten Blick, welches Ausmaß an Bedrohung, Angst, Ekel und Zerstörung Ännes Leben ausgemacht hat. Die toten Schmeißfliegen, Motten und Mücken von Bedburg-Hau erscheinen wie ein Synonym für Ännes furchtbaren Tod.

Nur wenige Jahre nachdem das Photo entstanden war, wurde Anna eingesperrt. Ihr Leben wurde nach drei Jahren voller Qual brutal ausgelöscht. Sie und ihre Leidensgefährten wurden vernichtet wie Ungeziefer. Man nannte es zynisch "Gnadentod" oder "Euthanasie".

Ich hoffe, dass der „Raum der Stille" die Besucher berührt hat. Damals ein Schlafsaal für viele Unglückliche - nun ein Raum der Erinnerung allein für Anna - ich bin sicher, sie hätte sich über so viel Aufmerksamkeit gefreut.

Dank an Ulrike Oeter

(unten) Gedächtnis auf Rädern
von Ulrike Oeter

Gedächtnis auf Rädern von Ulrike OeterIch hatte Ulrike Oeter für ihre Erinnerungsarbeit mehrere Fotos von Änne zur Auswahl geschickt. Nachdem sie die Internetseite über Anna gesehen hatte, schrieb sie mir: „Lange hatte ich überlegt, welches Foto ich verwenden sollte: das niedliche Kinderfoto mit oder ohne Mutter, das Foto aus Mülheim, auf dem sie so verloren steht. Am Ende entschied ich mich für das frühe Foto mit der Freundin, weil sie dort so unbeschwert lacht. So fröhlich. So unversehrt. Und das wollte ich als Gegenbild. Das Unversehrte. Um die Stigmatisierung der Nazis zu unterlaufen. Das Versehrte war in den Motten und Insekten. Ich habe dabei ein wenig mehr verstanden wie meine Erinnerungsarbeit sein soll."

Ulrike Oeter geht seit Jahren den Spuren der Vergangenheit nach mit dem Ziel, nicht nur die Köpfe, sondern auch die Seelen der Menschen zu bewegen. Anlässlich ihres mobilen Straßenmuseums Gedächtnis auf Rädern sagte sie: "... denn wir lesen und wissen viel, aber wir begreifen es nicht." Die Künstlerin, die auch Historikerin ist, schafft es, Geschichte greifbar und damit begreifbar zu machen, indem sie den Opfern Gesicht und Namen gibt.

Mein tiefempfundener Dank an Ulrike Oeter für ihre bewundernswerte Erinnerungsarbeit!

S. Falkenstein, 2006

 

2009 Änne im Klinikmuseum von Bedburg-Hau

(unten) Installation der Erinnerung (2009)

Aennes letzte ReiseDa die Ausstellung 2006 zeitlich begrenzt war, konnte die Installation und damit die Erinnerung an Anna anschließend leider nur in Form von Photos dokumentiert werden. Dazu war im Kurier am Sonntag vom 27.8.06 zu lesen:

„Man wünscht sich, dass dieser Raum als Mahnmal bleiben könnte. Seltsam ist die Vorstellung, dass er nach der Ausstellung wieder ausgeräumt werden soll.“

Ich appellierte zeitgleich an die Verantwortlichen für das Museum der Rheinischen Kliniken Bedburg-Hau, sich dafür einzusetzen, Ulrike Oeters Installation „Ännes letzte Reise" in das Klinikmuseum zu integrieren, um Änne wenigstens ein kleines Stück späte Gerechtigkeit widerfahren zu lassen!

Frau Dr. Brill, die ärztliche Direktorin der Klinik, setzte sich sehr dafür ein, "Ännes letzte Reise" in das Museum zu integrieren. (siehe Klever Wochenblatt)

Am 27. Januar 2009 war es soweit: Die Installation "Ännes letzte Reise" wurde von der Klinik erworben. So ist Annas Gesicht nun dauerhaft - stellvertretend für alle Opfer - im Klinikmuseum zu sehen.

Mein Dank gilt allen, die sich dafür eingesetzt haben!

 

27.Januar 2009

2012 Das Theaterstück "Ännes letzte Reise"

© Photos Theater mini-art

Aennes letzte ReiseZum 100-jährigen Bestehen der LVR-Klinik Bedburg-Hau - inszenierte das Kinder- und Jugendtheater mini-art das Theaterstück "Ännes letzte Reise". Es handelt sich um eine dokumentarische Fiktion, die auf Annas Schicksal basiert.

(Regie: Rinus Knobel. Spiel: Crischa Ohler, Sjef van der Linden. Text: Knobel/ Ohler/ van der Linden. Biografisches Material: Sigrid Falkenstein. Projektionen: Ulrike Oeter).

Das Theater mini-art ist ein deutsch-niederländisches Kinder- und Jugendtheater. Es schreibt, inszeniert und spielt Theaterstücke für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, für die es mehrfach ausgezeichnet wurde.

Für die beeindruckende Inszenierung "Ännes letzte Reise" wurden Beispiele aus der Dokumentation des Lebens von Anna (Änne) und fiktive Texte zusammengefügt. Das Stück erinnert an sie und stellt darüber hinaus eine Verbindung zur Gegenwart her. "Wir glauben, dass Gegenwart ohne die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit nicht wirklich zu verstehen ist und Zukunft nicht bewusst gestaltet werden kann. Deshalb ist dieses Stück auch eine Parabel für die Achtung der Menschenrechte, für den Umgang mit dem Anderen und für die Frage nach dem ‘Wert’ eines Menschen. In diesem Zusammenhang spielt die Frage der Abwertung anderer, der Ablehnung von allem, was nicht in die Norm passt, was anders und fremd ist eine bestürzend aktuelle Rolle." (Zitat von der Website des Theaters)

Inzwischen hat "Ännes letzte Reise" das Publikum an vielen Orten zutiefst berührt und zum Nachdenken gebracht.

2012 war mini-art mit "Ännes letzte Reise" zum internationalen Theater-Festival „Uma janela para a Utopia - Ein Fenster für die Utopie“ nach São Paulo in Brasilien eingeladen - als einzige Vertreter aus Deutschland.

Anlässlich einer Aufführung im Rahmen des Festivals "Spielarten" in Duisburg war die folgende Rezension zu lesen: "Wenn in einem Zuschauerraum voller Jugendlicher eine Stunde lang kein Mucks zu hören ist, dann muss das, was sich da auf der Bühne abspielt, wirklich gut sein. Und das war es auch: Das, was die Schauspieler des Theaters "mini-art" aus Bedburg-Hau gestern im Komma-Theater boten, war lehrreich, fesselnd und berührend zugleich. Gezeigt wurde im Rahmen des Festivals "Spielarten" das Theaterstück "Ännes letzte Reise". Die dokumentarische Fiktion setzt sich mit dem Thema Euthanasie im Nationalsozialismus auseinander. ... Zu Beginn hatten die Schauspieler dem Publikum erklärt: 'Wir leihen denen eine Stimme, die nicht mehr sprechen können.' Das haben sie auf berührende Weise getan." (S. Kaiser, RP Online, 28.11.2013)

2014 bekam das Stück im Rahmen der Moerser Kinder- und Jugendtheatertage "Penguin's Days" von der Jugendjury den Goldenen Pinguin für die beste Inszenierung zuerkannt

Auch acht Jahre nach der ersten Inszenierung hat das Stück "Ännes letzte Reise" nichts von seiner Aktualität verloren. 2020 wurden Crischa Ohler und Sjef van der Linden für ihr Engagement mit dem Rheinlandtaler vom Landschaftsverband Niederrhein (LVR) ausgezeichnet. In der Laudatio wird ausdrücklich das Theaterstück "Ännes letzte Reise" erwähnt. Danke, Crischa und Sjef, und herzliche Gratulation zur verdienten Auszeichnung.


Eine Auswahl von Pressestimmen u. Aufführungsorten:


Gedenkzeichen | Ännes letzte Reise | Stolperstein | Bedburg-Hau | Grafeneck 2006  
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